Die Landesmindestbauverordnung von Baden-Württemberg schreibt ein 100 %-tiges Angebot an Einzelzimmern vor. Ausnahmen sind bei besonderen Betreuungskonzepten wie z. B. bei Hausgemeinschaften für Menschen mit Demenz möglich. Außerdem sollen die Träger das Leben in Doppelzimmern ermöglichen, indem — auf Wunsch der Beteiligten — zwei Einzelzimmer miteinander verbunden werden. Ein Zimmer wird das Doppelzimmer, das zweite Zimmer wird sozusagen das pprivate Wohnzimmer beider Personen.
Im Süd-Osten unserer Republik, also in direkter Nachbarschaft von Baden-Württemberg, nämlich in Bayern, geht man gänzlich andere Wege. In manchen Bezirken von Bayern herrscht das Doppelzimmergebot.
Konkret könnte es heißen: in Ulm darf man nur Einzelzimmer anbieten, in Neu-Ulm nur Doppelzimmer. Dieses verfremdet und wir können uns des Eindruckes nicht verwehren, dass es sich hier um politische Entscheidungen handelt.
Die Uni Erlangen, genauer gesagt das dortige Institut für Psychogerontologie, hat 2008 eine Studie zum Einzelzimmer im Alten- und Pflegeheim veröffentlicht. Hierfür wurden 12 nord-bayerische Einrichtungen untersucht. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass eine Doppelzimmer-Unterbringung wahrscheinlich für 10 bis 15 % der Heimbewohnerinnen und -bewohner gut wäre. “Einige Belege weisen beispielsweise darauf hin, dass eine Betreuung in Doppelzimmern unter bestimmten Bedingungen durchaus eine gute Versorgungs- und Lebensqualität für ältere Heimbewohner sichert. “Diese Studie ist zwar nicht repräsentativ für alle deutschen Altenpflegeeinrichtungen, sie ist aber ein guter Anfang und wir halten eine für ganz Deutschland repräsentative Studie für unbedingt erforderlich, bevor starre 100-%-Regelungen erlassen werden.
Doppelzimmer können möglicherweise gut und förderlich sein, wenn beide (!) Bewohner/innen den klar erkennbaren Wunsch äussern oder zumindet die glaubhafte, nachvollziehbare Einwilligung dazu geben. Ist nur eine der beiden Personen dagegen, endet das Ganze in Quälerei — ausser vielleicht für das Budget der beteiligten Institution. Wir haben mit Doppelzimmer auf einer Demenzstation schreckliche Erfahrungen gemacht. Zwei über achtzigjährige demenzkranke Frauen wurden gedrängt, in einem Doppelzimmer zusammen zu leben, weil das Heim vorwiegend so konzipiert war. Die eine schaute ununterbrochen und in voller Lautstärke fern, die andere schreckte nachts aus Alpträumen auf — logischerweise begannen beide in kürzester Zeit, einander anzufeinden, was das zum Teil nicht professionell ausgebildete, sondern angelernte Personal nicht auffangen konnte. Da auch ausserhalb des Zimmers auf der Station kein einziger privater raum vorhanden war, fanden sogar Familienbesuche wie auf dem Catwalk statt. Eine Institution für die Pflege und das Wohlergehen alter Menschen sollte grundsätzlich genügend Einzelzimmer zur Verfügung haben. Diejenigen, um die es geht, haben ein ganzes Leben hinter sich, das sie sehr individuell und manchmal sehr kantig geprägt hat, sind häufig unflexibel, leiden nicht selten unter der Tatsache, dass sie überhaupt in ein Heim müssen und nicht mehr zu Hause leben dürfen, und haben, wenn sie obendrei noch dement sind, Angst. An erster Stelle muss es um ein alterswürdiges Leben gehen. Danach kommt eine Kalkulation mit entsprechenden Sparpotenzialen, und danach mag möglicherweise der Aspekt der Rendite folgen, die ein Heim erwirtschaftet, wenn es nicht an gemeinnützige Träger angeschlossen ist.
Dem Kommentar von Claus_1 kann ich nur zustimmen. Wer ein Einzelzimmer für sich wünscht, soll es bekommen können.
Diese Möglichkeit der Wunscherfüllung gilt allerdings auch für Personen, die ein Leben im Doppelzimmer wünschen bzw. für welche es aus gesundheiltichen Gründen förderlich ist. Dieses bedingt allerdings ganz klar, dass die Einrichtung dafür sorgen muss, dass beide Personen, die sich ein Doppelzimmer teilen, sich verstehen und ähnliche Lebensweisen haben. Anonsten wäre ein Leben im Doppelzimmer überhaupt nicht gesundheitsfördernd sondern geradezu das Gegenteil.
Es wird heute gemeinhin davon ausgegangen, dass ALLE pflegebedürftige Menschen ein Einzelzimmer haben wollen. Meine Praxiserfahrung zeigt, dass dieses in der Tat für die große Mehrheit zutrifft. Es gibt aber eine Minderheit, die ein Leben im Doppelzimmer vorzieht. Diese Minderheit muss auch Gehör finden.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit steht auf einem ganz anderen Blatt. Mit geht es um eine inhaltliche Diskussion.